Integrative Medizin der Zukunft – nur mit Homöopathie denkbar
Anlässlich der Verbannung der Homöopathie aus der Musterweiterbildungsordnung auf dem Deutschen Ärztetag in Bremen Ende Mai diesen Jahres (Wir haben berichtet) stellte sich Chefarzt Robert Schmidt für ein Interview zur aktuellen Situation der Homöopathie zur Verfügung.
Die Homöopathie wurde vor Kurzem aus der Weiterbildungsordnung für Ärzte gestrichen. Was bedeutet das für Ärzte, die gern auch homöopathisch arbeiten möchten? Können sie sich noch auf dem Gebiet aus- bzw. weiterbilden?
Zunächst haben alle Ärztinnen und Ärzte, die vor August 2022 ihre Homöopathieausbildung nach der Weiterbildungsordnung begonnen haben bzw. beginnen, noch drei Jahr Zeit, um diese abzuschließen und die Zusatzbezeichnung Homöopathie zu erlangen. Eine einmal erworbene Zusatzbezeichnung bleibt dann auch weiterhin bestehen. Die Homöopathie an sich wird es nach der Verbannung aus der Musterweiterbildungsordnung durch den Deutschen Ärztetag natürlich weiterhin geben, vor allem, da der Wunsch nach einer homöopathischen Behandlung in der Bevölkerung fest verankert ist. Die einzelnen Landesärztekammern wären nicht einmal gezwungen, der Empfehlung des Deutschen Ärztetages in Form der Musterweiterbildungsordnung, jetzt ohne Homöopathie, zu folgen. Es gibt aber auf jeden Fall weiterhin auch hochwertige Ausbildungsangebote für homöopathisch interessierte Ärzte, eines davon sind die Angebote des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte, die bisher schon Teil der der nun gestrichenen Weiterbildung Homöopathie waren bzw. deutlich darüber hinaus gingen und die weiterhin Angeboten werden.
Was bedeutet das für Patienten? Ist es in Zukunft noch möglich, sich homöopathisch behandeln zu lassen? Wann ja, wie?
Die Homöopathie an sich wurde ja nicht verboten und wird auch weiterhin flächendeckend praktiziert werden, allein schon wegen der hohen Nachfrage. Auch viele Ärzte werden aus Überzeugung weiterhin Homöopathie anbieten. Dank der erworbenen Zusatzbezeichnung konnten sich die Patienten aber bisher sicher sein, dass ein Arzt mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie eine hochwertige homöopathische Ausbildung mit abschließender Prüfung durchlaufen hat. Daran werden sich die Patienten künftig also leider nicht mehr orientieren können. Und mit fehlendem Anreiz, die Zusatzbezeichnung Homöopathie führen zu dürfen, werden wahrscheinlich zudem weniger Ärzte die vollständige Ausbildung absolvieren, schließlich geht das auch mit einem hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand einher. Meiner Meinung nach ist aber gerade ein Arzt mit qualitativ hochwertiger homöopathischer Ausbildung für eine homöopathische Behandlung im Sinne einer integrativen Medizin am besten geeignet. Integrative Medizin bedeutet dabei die Kombination von konventioneller Medizin und wissenschaftsbasierter Komplementärmedizin zu einem individuell bestmöglichen Therapiekonzept für den einzelnen Patienten.
Begründet wurde die Entscheidung damit, dass es keine wissenschaftlichen Studien gäbe, die den evidenzbasierten Einsatz homöopathischer Mittel belegen könnte. Was halten Sie von dieser Argumentation?
Der Antrag zur Streichung der Homöopathie aus der Musterweiterbildungsordnung wurde auf dem Deutschen Ärztetag sprichwörtlich in letzter Sekunde gestellt. Die Delegierten konnten sich weder im Vorfeld mit diesem Thema auseinandersetzen, noch besteht auf dem Ärztetag die Möglichkeit, grundsätzliche Fragen auch nur annähernd ausreichend zu diskutieren. Die Delegierten können dann eigentlich nur „aus dem Bauch heraus“ entscheiden und da spielt natürlich die derzeitige öffentliche Wahrnehmung der Homöopathie eine ganz entscheidende Rolle. Der öffentliche Diskurs zur Homöopathie wird aber momentan leider von einem, eigentlich kleinem, aber medial sehr präsenten Kreis von Homöopathie-Skeptikern bestimmt, deren Narrativ die fehlende wissenschaftlich Evidenz der Homöopathie darstellt. Dies Behauptung entspricht aber meiner Meinung nach überhaupt nicht der aktuellen Studienlage. Nur bekommen die zahlreichen Befürworter der Homöopathie derzeit nicht die mediale Aufmerksamkeit, um, in der Öffentlichkeit wahrnehmbar, pro Homöopathie zu argumentieren.
Gibt es nicht doch aussagekräftige Studien? Können Sie mir welche nennen?
Die Homöopathie wurde sogar von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) mit einer Empfehlung in die neue Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ aufgenommen. Grundlage hierfür war eine aussagekräftige Studie von Lechleitner et al. aus dem Jahre 2020, die alle Standards der wissenschaftsbasierten Medizin erfüllt: multizentrisch, doppel-verblindet und placebokontrolliert. Sie zeigt einen positiven Effekt einer ergänzenden homöopathischen Behandlung auf die Lebensqualität und die Überlebenszeit von Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom. Leider finden solche eindeutigen Argumente für die Homöopathie in der medialen Landschaft in Deutschland derzeit kein Gehör und werden von den Homöopathie-Skeptikern natürlich tunlichst ignoriert. Ein weiteres Beispiel für die sehr einseitigen Berichterstattung über die Homöopathie ist das, in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene, Positionspapier eines unabhängigen Expertengremiums, bestehend aus zehn Professoren unterschiedlicher wissenschaftlicher Fachdisziplinen unter Federführung von Prof. Dr. med. André-Michael Beer, Direktor der Klinik für Naturheilkunde, Klinik Blankenstein, Ruhr-Universität Bochum aus dem Jahre 2021. Nach einer Analyse der aktuellen Studienlage kamen sie u.a. zu folgendem Schluss:
„Es liegen genügend aussagekräftige Studien für akute und chronische Erkrankungen vor, die eine Wirksamkeit der homöopathischen Therapie im Placebo Vergleich belegen und die in wissenschaftlichen hochrangigen Zeitschriften publiziert sind.“ (Zeitschrift Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement, 26/2021, Thieme Verlag)