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Interessantes aus der Wissenschaft - Lokoregionale Hyperthermie

Ein Abstrakt in Anlehnung an die „Leitlinie zur kapazitiven lokalen Radiofrequenzhyperthermie“ der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie e.V. DGHT, Version 1,0 von Oktober 2021

Im Gegensatz zur Ganzkörperhyperthermie, bei der der ganze Körper in bestimmten Vorrichtungen erwärmt wird, werden bei der Lokoregionalen Hyperthermie über verschiedene Sonden zu behandelnde Körperabschnitte selektiv erwärmt. Beide Behandlungsformen gehören dem Bereich der komplementären Krebstherapie an, wobei die lokalen Hyperthermie- Verfahren fast ausschließlich bei onkologischen Patienten Anwendung finden. [1] [2]

So wurde die Hyperthermie bereits 2019 in die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Onkologie DGO aufgenommen und ist aktuell auch in der S3- Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer Patienten“ der DGO von September 2021 zu finden. [1] [3] Im Oktober 2021 hat die Deutsche Gesellschaft für Hyperthermie DGHT erstmals eine Leitlinie zur „kapazitiven lokalen Radiofrequenz Hyperthermie“ herausgegeben, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll.

Anwendungsbereich der lokoregionalen Hyperthermie

Weltweit gibt es verschiedene Techniken zu deren Anwendung, wobei man zwischen einer lokal externen- und einer lokal invasivenAnwendung unterscheidet. Auch gibt es unterschiedliche Hyperthermie-Formen wobei sich die sogenannte kapazitive Kopplung heute durchgesetzt hat. Bei der kapazitiven Kopplung wird durch zwei Elektroden (in symmetrischer oder asymmetrischer Anordnung) ein Wechselfeld im Kurzwellenbereich erzeugt und so eine lokale effektive Überwärmung herbeigeführt. [1]

Man spricht hier auch von Autofokuseffekt. [2] Gerade solide, lokal begrenzte Tumoren und Metastasen sind dieser Behandlung gut zugänglich. Bei der thermischen Schädigung von Tumorzellen kommt es zu einer Expression vom Hitzeschockproteinen, die über eine Antigenfunktion die Tumorzellen demaskieren und so dem Immunsystem zugänglich machen. Somit sind diese Zellen auch aufgrund der erhöhten Perfusion gut angreifbar für z.B. natürliche Killerzellen. [1] [2]

Heute weiß man, dass bei einer Temperatur von 38,5°C - 40,5°C über ca. 45 - 60 Minuten 10 - 15% der Tumorstammzellen abgetötet werden. Zudem hat eine Temperatur ab 39,0°C experimentell einen „strahlensensibilisierenden Effekt“. Die erhöhte Temperatur hat eine initiale Erhöhung der Perfusion im Bereich des Tumors zur Folge. Zelleigene Reparaturmechanismen der durch O2 – Radikale geschädigten Zellen werden durch die erhöhte Temperatur gehemmt. In der Leitlinie zur kapazitiven lokalen Radiofrequenzhyperthermie der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie e.V. DGHT, Version 1,0 wird daher sogar von einem „radiosensibilisierenden Steigerungseffekt auf das bis zu 2,3 – fache“ gesprochen. [1]

Außerdem besteht bei diesen Temperaturen ein „Chemotherapie- sensibilisierender Effekt“ durch Änderung der Membranpotenziale, wobei durch die Steigerung der Durchblutung und Gefäßpermeabilität die Chemotherapeutika besser an ihrem Zielort gelangen können. Dies wiederum führt zu einer Wirkungsverstärkung durch erhöhte Arzneimittelkonzentrationen im Tumorbett. [1]

Leitlinie zur kapazitiven lokalen Radiofrequenz-Hyperthermie

Die Leitlinie zur kapazitiven lokalen Radiofrequenz- Hyperthermie der DGHT Version 1.0 von Oktober 2021 berichtet von neueren klinischen Prüfungen, die Wirkungspotenziale von Chemotherapeutika in Abhängigkeit von der Hyperthermie untersuchten. Hierbei wurden unabhängig voneinander eine qualitative Verstärkung einer ganzen Reihe von Chemotherapeutika im Sinne einer additiven und sogar potenzierenden Wirkung dokumentiert. [1]

Wichtige Anwendungsbereiche sind gemäß der Leitlinie zur kapazitiven lokalen Radiofrequenzhyperthermie der DGHT von Oktober 2021 Version 1,0 lokal fortgeschrittene, durch Chemo- und Strahlentherapie nicht ausreichend behandelbare Tumoren. Dazu gehören lokal fortgeschrittene Mammakarzinome, Bronchialkarzinome, Pankreaskarzinome, Cervixkarzinome, Karzinome im Kopf- und Halsbereich sowie das Glioblastoma multiforme WHO IV.

Eine „sinnvolle simultane Ergänzung zur Strahlentherapie“ scheint einer chinesischen Publikation zufolge, die Behandlung auch bei Knochenmetastasen zu sein. [1] [7]

Es besteht somit ein „hoher onkologischer Stellenwert“ der Radiofrequenzhyperthermie auch bei lokal fortgeschrittenen und rezidivierten tief gelegenen abdominellen Tumoren. Dies zeigt sich insbesondere bei regionaler Ausbreitung, wie etwa der fortgeschrittenen Pankreaskarzinome, bei Lebermetastasen oder bei der Peritonealkarzinose. [1]

Nicht zuletzt bestehen Therapieoptionen bei Patienten, die z.B. bei Unverträglichkeit einer Chemotherapie, einer onkologischen Therapie nicht zugänglich sind oder auch andere tumorspezifische Therapieverfahren nicht mehr greifen. Auch dieses Patientenkollektiv kann von einer Radiofrequenzhyperthermie möglicherweise profitieren, zumindest was die Schmerzreduktion betrifft: Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass durch die lokale Hyperthermie allein oder v.a. in Kombination mit einer Strahlentherapie auch eine deutliche Rückbildung von Schmerzen und sogar eine „Schmerzfreiheit über einen längeren Zeitraum“ erreicht werden kann. [1] [8]

Die Radiofrequenzhyperthermie ist auch mit weiteren Verfahren kombinierbar z.B. mit der Antikörpertherapie und anderen Hemmstoffbehandlungen („Target“-Therapeutika) mit Biologicals im Rahmen weiterer tumortoxischer und tumorstatischer oder supportiver Therapien aber auch zellulären Immuntherapien und nicht zuletzt weiteren komplementärmedizinischen Therapieansätzen wie der immunmodulierenden Ganzkörperhyperthermie und der Oberflächenhyperthermie (Infrarot-Hyperthermie). [1]

Anwendungsdauer und Verträglichkeit

Effektiv ist eine Therapie drei- bis fünfmal pro Woche parallel zur Strahlentherapie und nach Beendigung der Strahlentherapie für zwei bis drei weitere Wochen dreimal wöchentlich mit einer Mindestanzahl von insgesamt zwölf bis fünfzehn Sitzungen mit anschließender Pause über ein bis drei Wochen. Gegebenenfalls kann ein 2. Zyklus erfolgen mit einer bis drei Sitzungen pro Woche während einer anschließenden Chemotherapie. Staging-Untersuchungen und Kontrollen der Tumormarker sollten begleitend stattfinden. Medizinisch vorteilhaft ist die „Step-up“-Methode, da die langsame Steigerung der Energieeinträge die Compliance verbessert. [1]

Von Vorteil ist, dass die Lokoregionale Hyperthermie ausgezeichnet verträglich und durchweg wenig belastend ist. Unerwünschte Nebenwirkungen der Lokoregionalen Hyperthermie können z.B. Verbrennungen Grad I bis III, Hautrötungen und eine Verstärkung lokaler Infekte sein. Nebenwirkungen wie Verbrennungen können unter anderem vermieden werden, wenn die Sonden der kapazitiven lokalen Radiofrequenz- Hyperthermie gut auf die trockene Haut in der „region of interest“ aufgelegt werden. Bei adipösen Patienten ist jedoch das Fettgewebe, das mehr Energie aufnimmt, als anderes Gewebe, ein begrenzender Faktor, da die Energie nicht weiter in die Tiefe zu der eigentlich zu behandelnden Region gelangen kann, sich aber andererseits schmerzhafte Knötchen („hot spots“) im Fettgewebe bilden können. So haben noch eine ganze Reihe von physikalischen Faktoren Einfluss auf die Wärmeentwicklung. Weitere zu erwähnende Nebenwirkungen können unter anderem eine kurzzeitige Müdigkeit (bis zu zwei Stunden anhaltend), neurologische Sensationen, ein diffuser abdomineller Schmerz oder Fieber auftreten. Bei der Behandlung von Tumoren am Kopf kann es zu Kopfschmerzen, aber auch zu epileptischen Anfällen kommen. [1]  

Eine teilweise gewünschte Nebenwirkung ist die gesteigerte Wirkeffektivität z.B. zusammen mit den zytotoxischen Antibiotika Mitomycin und Doxorubicin (thermosensitiv). [1]

Kontraindikationen für eine Lokoregionale Hyperthermie

Kontraindikationen für eine Lokoregionale Hyperthermie sind ein Herzschrittmacher oder andere implantierte oder am Körper getragene elektrische Geräte bzw. Geräte mit Schaltkreisen aus Metall sowie Stents oder metallische Implantate (z.B. auch Langschaft-TEP’s im Gegensatz zur Kurzschaft-TEP’s) im Zielgebiet. Weitere Kontraindikation wären bei eingeschränkter Sensibilität im Bestrahlungsfeld bzw. eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit des Patienten gegeben und bei Z.n. frischer Operation, wenn sich OP-Wunden im oder nahe des Zielgebiets befinden. Relative Kontraindikation sind Pleuraergüsse, Aszites, eine frische tiefe Beinvenenthrombose oder eine Lungenarterienembolie, Schwangerschaft oder Stillzeit, Alkohol- und Drogenmissbrauch, aktive lebensbedrohliche Infektionen (Sepsis, Karnofsky- Index: < 50) oder schwerwiegende internistische oder neurologische Komorbiditäten mit schlechter Prognose, aber auch hochgradig fragile Herz-Kreislauf-Situationen bzw. auch ein sehr schlechtes Allgemeinbefinden. [1]

Bei hoher Energieleistung sollte eine kontinuierliche Präsenz der qualifizierten Fachkraft gewährleistet sein. Schwangere Fachkräfte sollten keine Behandlungen mehr betreuen. [1]

Die Radiofrequenzhyperthermie sollte in erster Linie nicht als alleinige Maßnahme bei Krebserkrankungen eingesetzt werden, vielmehr als simultane Kombination im Rahmen eines onkologisch fundierten Behandlungskonzeptes. [1]

Komplementärmedizinisches Behandlungskonzept für Onkologie-Patient*innen im KfN

Im Krankenhaus für Naturheilweisen in München Harlaching wurde für onkologische Patienten ein komplementärmedizinisches Behandlungskonzept etabliert: Hierbei werden verschiedene, sich ergänzende immunmodulierende und regulierende, multimodale naturheilkundliche Therapieformen in ein, auf jeden Patienten individuell abgestimmtes Komplexprogramm einbettet. Hier wird das Ziel verfolgt, Synergieeffekte zu nutzen. Die Lokoregionale Hyperthermie wird im Rahmen des stationären Aufenthaltes bei Krebspatienten mit zeitnah durchgeführter Radio- / Chemotherapie und entsprechender Indikation seriell mit insgesamt durchschnittlich fünf bis sechs Anwendungen pro stationärem Aufenthalt durchgeführt. Auch im ambulanten Rahmen können die Behandlungen weiter fortgesetzt werden. Es werden Applikatoren verschiedener Größe je nach Ausbreitung und Lokalisation der zu behandelnden Region verwendet. [2]

Über den Ablauf der kapazitiven Radiofrequenzhyperthermie werden die Patienten grundsätzlich ausführlich aufgeklärt. Auch in der Leitlinie zur „kapazitiven lokalen Radiofrequenz Hyperthermie“ der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie von Oktober 2021 Version 1,0 ist ein ausführlicher Aufklärungsbogen zu finden. [1]

Forscher und Wissenschaftler sind nun bereits seit vielen Jahren mit der Weiterentwicklung der Hyperthermie-Behandlung beschäftigt.

So ist die Frage, welchen Einfluss elektromagnetische Felder in der komplementären Krebstherapie haben, noch nicht vollständig geklärt. Auch im Rahmen der Qualitätssicherung gibt es noch grundsätzlich die Fragestellung, was die Definition einer Wärmedosis betrifft. [1]

Aktuell wird darüber hinaus an der Erhitzung magnetischer Nanopartikel geforscht. [1] [4]

Durch die rasante wissenschaftliche Weiterentwicklung mit zunehmender Anzahl und Umfang an neuen Studien zu diesem Thema wird sich die Lokoregionale Hyperthermie als durchaus effektive Therapie bei Tumorpatienten möglicherweise bald immer fester im Therapieregime onkologischen Patienten verankern.

Zur Vertiefung der Thematik ist der 10. Hyperthermie-Kongress der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie vom
01.– 02.10.2022 in Berlin mit dem Thema „Synergien nutzen: interdisziplinäre und multimodale Krebstherapie in Kooperation der Deutschen Gesellschaft für Onkologie“ zu empfehlen.


Literaturverzeichnis

  1. Leitlinie zur kapazitiven lokalen Radiofrequenz-Hyperthermie der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie e.V. DGHT, Version 1.0 / Oktober/2021.
  2. Dr. A. Wölfel, CA Krankenhaus für Naturheilweisen, Vortrag „Hyperthermie“ vom 07.11.2018
  3. S3- Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer Patienten, September 2021, Deutsche Gesellschaft für Onkologie DGO
  4. O. Cervantes et al. „A Ferrofluid with Surface Modified Nanoparticles for Magnetic Hyperthermia and High ROS Production“ Molecules 2022 Jan 15(2):544
  5. Wust P, Kortüm B. et al. Non- thermal effekts of radiofrequency electromagnetic fields; Sci Rep.2020 Aug10 (1): 13488
  6. Wust P, Stein U et al. Non- thermal membrane effects of elektromagnetic fields and therapeutic applications in oncologie; Int J Hyperthermia 2021; 38 (1):715-731
  7. Chi MS, Yang KL et al. Comparing the Effectiveness of Combined External Beam Radiation and Hyperthermia Versus External Beam Radiation Alone in Treating Patients with Painful Bone Metastases: A Phase 3 Prospective, Randomized, Controlled Trial. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2018; 100(1):78-87
  8. Adamietz IA, Wust P: Hyperthermie in der nichtkonventionellen Therapie. Der Onkologe 2004; 10: 276-283
  9. Renner H: Strong Synergy of Heat and Modulated Elektromagnetic Field In Tumor Cell Killing. Strahenther Onkol 2009;2: 121-126

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